Geschichte
Himeji-Burg – Der Weiße Reiher
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- 27. Februar 2020
Das Erste, was meinen Blick auf sich zieht, während meinem Weg durch die erhabene Himeji-Burg, ist seine weiße Oberfläche. So wie es im Sonnenlicht unter dem kräftig blauen Himmel glänzt, ergeben seine Spitznamen Hakuro-jo und Shirasagi-jo („weißes Reiher-Schloss“) einen besonderen Sinn. Das hölzerne Kunstwerk ist schneeweiß und so elegant wie ein Vogel, bereit zum Abflug.
Die Festung wurde 1333 errichtet und wurde seitdem durch verschiedene Daimyo (Feudalherren) mehrmals wiederaufgebaut und umgestaltet. Die letzte große Instandsetzung der Burg, als der Hauptturm erbaut wurde, wurde 1609 unter Befehl von Terumasa Ikeda durchgeführt, dem Shogun von Westjapan. Als bestes Beispiel japanischer Architektur des 17. Jahrhunderts wurde die Burg im Jahre 2010 für eine fünfjährige, 2,3 Milliarden Yen teure Restaurierung geschlossen, die auch als Heisei-Restaurierung bekannt ist. Dieses Unterfangen fokussierte sich auf die Stärkung der Erdbebensicherheit, Erneuerung des Dachs, sowie ein erneuter Auftrag des weißen Putzes, dem Markenzeichen der Burg. Die Himeji-Burg wurde im März 2015 für die Öffentlichkeit wiedereröffnet.
Fest entschlossen dieses historische Monument selbst zu entdecken, gehe ich durch das Haupttor der Burg – dem Otemon Tor – und mache mich auf den Weg zur Kasse, um meine Eintrittskarte zu lösen. Dort treffe ich Kenji Miyazaki, meinen Guide für diesen Morgen. Zusammen gehen wir weiter in Richtung des Hauptturms.
Die Himeji-Burg ist ein Nationalheiligtum und auch eines der ersten UNESCO-Weltkulturerben Japans. Die pittoreske Burg diente als Kulisse für unzählige Geschichten, unter anderem für den Film James Bond 007: Man lebt nur zweimal aus dem Jahre 1967. Als eine von Japans zwölf ursprünglichen Burgen, wird sie als Archetyp der japanischen Burgarchitektur angesehen. Obwohl sie noch nie belagert wurde, ist sie für den Kampf bereit: mit einem aufwändigen Sicherheitssystem, das seiner Zeit weit voraus war – heraufziehenden Türmen, unmöglich zu erklimmenden abgeschrägten Wänden und vielem mehr.
“Es ist kein Wunder, dass noch nie jemand versucht hat, diese Burg zu stürmen.”, kichert Kenji. Die Festung hat ungefähr 1.000 Sama (Schlupflöcher in Formen von Kreisen, Dreiecken, Quadraten und Rechtecken) strategisch gut verbaut für Bogenschützen und bewaffnete Wächter, um potentielle Eindringlinge sofort zu vertreiben. Ebenso gibt es eine Menge an „Steinwurf-Fenstern“ (Ishiotoshi mado) – abgewinkelte Rinnen, von denen aus Steine oder kochend-heißes Wasser über Angreifer geworfen werden kann. Wir durchstreifen das Hanomon-Tor, welches von außen den kürzesten Weg zum Zentralturm bietet. Jedoch merke ich schnell, dass diese Abkürzung eine falsche Fährte ist, denn wir bewegen uns nur weiter vom Turm weg. Dieses Labyrinth ist Teil eines Verteidigungskonzepts, welches 84 Tore und drei Burggräben umfasst (allerdings existieren heute nur noch 21 Tore und der innere Burggraben). Trotz der überall angebrachten Wegweiser bin ich mir ziemlich sicher, dass ich ohne meinen treuen Guide Kenji verloren wäre. Letzten Endes führt er mich direkt zum kolossalen Zentralturm, auch bekannt als Tenshukaku, der die Himeji-Skyline dominiert.
Das glänzende Juwel dieses unschätzbaren Kulturguts ist ein vor kurzem restaurierter Wehrturm (Daitenshu) und eine Halle mit großen Holztoren, die feudale Luft in sich trägt. Von außen scheint der 46,4 Meter hohe Wehrturm fünf Stockwerke zu haben, da der zweite und dritte Stock von oben wie ein einzelnes Stockwerk aussehen. Allerdings hat der Turm tatsächlich sechs Stockwerke und einen 385m2 großen Keller, eingerichtet mit speziellen Anlagen, die es in anderen Burgen nicht gibt, inklusive Waschraum, ein Abtropfbecken und eine Küche. Der 554m2 große erste Stock des Wehrturms ist mit 330 Tatami-Matten (Strohmatten) ausgelegt und wird oft als „Tausend-Matten-Raum“ bezeichnet. Die Wände des ersten Stockwerks sind verkleidet mit Waffenständern (Bugukake) für Luntenschlösser und Speere. Früher beherbergte das Schloss 280 Kanonen und 90 Speere.
Einmal im Wehrturm steigen Kenji und ich alle sechs Stockwerke hinauf, die Treppen scheinen steiler zu werden, je höher wir gehen. Auf dem Weg blicke ich auf die Stadt und frage mich, was für ein guter Schütze ich wäre, wenn ich mit Pfeil und Bogen durch diese Löcher schießen würde, während ich das Schloss verteidige. Das dritte, ebenso wie das vierte Stockwerk sind beide mit Plattformen am Nord- und Südfenster ausgestattet, die man auch „Steinwurf-Plattformen“ (Ishiuchidana) nennt, von denen aus Verteidiger Feinde beobachten oder mit Objekten bewerfen konnten. Ebenso gibt es eingeschlossene kleine Räume, genannt „Kriegerversteck-Plätze“ (Mushakakushi), von wo aus Verteidiger Überraschungsangriffe auf Feinde tätigen konnten, die den Wehrturm betreten haben. Auf dem obersten Stockwerk sind die Fenster heutzutage mit Eisengittern ausgestattet, aber zur Feudalzeit konnte man einen unversperrten Panoramablick genießen. Die Sicht auf die Stadt und die umliegenden Gebiete ist tatsächlich eine atemberaubende Szenerie.
Hier erzählt mir Kenji die glückliche Geschichte der Himeji-Burg und warum sie heute noch steht. Mindestens dreimal hatte die Burg großes Glück.
Die Meiji-Periode (1868-1912) markierte das Ende des Stellenwerts japanischer Burgen. Zu diesem Zeitpunkt war die Erhaltung von Burgen ein sehr teures Unterfangen mit geringem Profit. Die Regierung wünschte zudem die Entfernung sowie Vergessenheit dieser Symbole eines alten Regimes und befahl, alle Burgen zu verkaufen und zu zerstören. Viele Burgen wurden abgerissen und auch die Himeji-Burg sollte Teil dieses Schicksals werden. Im Jahr 1869 auktionierte die Regierung die Burg und Kanbe Seiichiro, ein Anwohner von Himeji, kaufte sie zum Preis von 23 Yen, was heute etwa 200.000 Yen entspricht (circa 1.480 €). Er wollte sie abreißen und neugestalten, aber es war zu teuer und „der weiße Reiher wurde zum weißen Elefanten“, lacht Kenji.
Während des 2. Weltkriegs fiel eine Brandbombe direkt auf die Festung, entzündete sich jedoch nicht und ließ die Himeji-Burg stehen. Ihre letzte Heldentat war es, während des Großen Hanshin- Erdbebens 1995 unversehrt zu bleiben. „Selbst die Sakeflasche auf dem Altar auf dem obersten Stockwerk blieb an seinem Platz. Die Götter mögen Sake.“, meint Kenji mit einem verschmitzten Grinsen. Wie wir die Treppen hinabsteigen und den Wehrturm hinter uns lassen, bewundere ich das Schicksal der Burg – einst eine teure Last und heute eines der gefeierten Nationalsymbole Japans.
Bevor ich zum Otemon-Tor zurückkehre verabschiede ich mich von Kenji, der mir rät, einen kleinen Spaziergang gen Westen in Richtung des schönen japanischen Gartens von Kokoen zu machen. Errichtet in den frühen 90er- Jahren auf dem damaligen Gebiet der westlichen Residenz des Feudalherrn (Nishi-Oyashiki), besteht das 3,5 Hektar große Areal aus neun separaten ummauerten Gärten, die in verschiedenen Stilen der Edo-Zeit gestaltet sind. Zwischen ihnen befindet sich der Garten der Residenz des Lords, dem größten der neun insgesamt. Der Garten ist ausgestattet mit einem Wasserfall, der in einen Teich mit hunderten von Goldkarpfen fällt. Es gibt außerdem zwei Teehaus-Gärten, einen Kiefer-Garten, einen Bambus-Garten sowie einen Blumen-Garten.
Wo es Grüntee gibt, so verhalte ich mich wie eine Motte zur Laterne und ich begebe mich auf dem kürzesten Weg zu Souju-an – dem Teehaus mit Blick auf den Hauptturm der Himeji-Burg. An heißem Matcha (japanischer Grüntee) nippend, blicke ich auf den großen „weißen Reiher“, majestätisch anzusehen aus weiter Ferne und von nah gleichermaßen. Ich fühle mich glücklich, die Korridore von der Himeji-Burg entlanggelaufen zu sein und froh, dass die Götter all die hunderten von Jahre darauf gelächelt haben.
Bilder von Jason Haidar & Text von Celia Polkinghorne
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Hyogo
Die Hyogo-Präfektur bildet ungefähr den Mittelpunkt des japanischen Archipels. Die hier gelegene Hafenstadt Kobe spielt eine wichtige Rolle als das Tor zu Japan. Darüber hinaus gibt es zahlreiche touristische Attraktionen wie die Himeji-Burg, die als ein UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt ist, sowie mehrere Thermalquellen. Das "Kobe Beef", eine der drei wichtigsten Sorten von Wagyu-Rindfleisch, ist eine weithin bekannte Delikatesse.