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Eine Mini-Pilgerreise zu einigen der besten Stationen entlang der legendären Ohenro-Pilgerroute von Shikoku

Eine Mini-Pilgerreise zu einigen der besten Stationen entlang der legendären Ohenro-Pilgerroute von Shikoku

„Japanische Spiritualität ist äußerst konkret, realistisch und persönlich; es ist „Ich allein“. Erst als dies durch Erfahrung verstanden wurde, wurde die grundlegende Wahrheit des japanischen religiösen Bewusstseins etabliert.“

— Daisetz Suzuki (Japanisch-amerikanischer buddhistischer Mönch, Schriftsteller, Philosoph, Religionswissenschaftler und Übersetzer, der maßgeblich an der Einführung der japanischen Zen-Philosophie im Westen beteiligt war)

Kobo Daishi, auch bekannt als Kukai, ist eine der berühmtesten buddhistischen Figuren in der japanischen Geschichte. Geboren in Sanuki auf der Insel Shikoku, reiste er 804 nach China (auch „To“ (唐) genannt, der damalige Name Chinas), um die Lehren des Buddhismus zu erlernen und gründete nach seiner Rückkehr die asketische Shingon (wörtlich „wahre Worte”) Sekte, die heute eine der Hauptschulen des Buddhismus in Japan ist. Der Buddhismus kam erstmals im 6. Jahrhundert nach Japan, aber es waren die Lehren von Kukai Jahrhunderte später, die für das Erwachen des religiösen Bewusstseins und der Spiritualität in Japan von grundlegender Bedeutung waren.

Kukai soll 88 „heilige Orte“ auf seiner Heimatinsel Shikoku besucht haben, wo er seine Askese praktizierte. Diese wurden später als die offiziellen 88 heiligen Orte auf Shikoku ausgewählt, wo seine Reise heute von Pilgern gefeiert wird, die in seine Fußstapfen treten möchten. Die Pilgerreise, die in der Präfektur Tokushima beginnt, wird „Ohenro“ genannt, wobei die Menschen die 1.400 Kilometer lange Strecke, die dem Weg Kukais folgt, im Uhrzeigersinn entlangwandern. In jedem Tempel bringen Pilger Sutras, wie das Herz-Sutra, dar und erhalten einen roten Stempel (Goshuin) in ihr Sutra-Buch. Obwohl auch heute noch einige die Pilgerreise unternehmen (es kann etwa zwei Monate dauern, bis sie abgeschlossen ist), besuchen die meisten Shikoku und seine Tempel, wenn sie Zeit haben und sehen sich lediglich zwei oder drei Tempel pro Tag an, entweder mit dem Bus oder mit dem Auto. Ihr Ziel ist es, die Pilgerreise irgendwann in der Zukunft abzuschließen. Auf unserer Mini-Pilgerreise beginnen wir am Ryozenji-Tempel in Tokushima, dem traditionellen Ausgangspunkt, fahren nach Westen in die Präfektur Kagawa, um Kukais Geburtsort zu besuchen, und enden dann am Ishiteji-Tempel in der Präfektur Ehime.

Ryozenji-Tempel

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Der Ryozenji-Tempel wurde erstmals vor über 1.200 Jahren erbaut und Kukai verbrachte hier 21 Tage auf seiner Reise durch Shikoku. Bekannt als der Tempel des heiligen Berges, besteht er aus dem Tempel selbst und einer zweistöckigen Pagode, die erstmals um das Jahr 1.400 errichtet wurde. Am Ryozenji können Sie alles kaufen, was Sie brauchen, um Ihre Pilgerreise zu beginnen, einschließlich eines kegelförmigen Schilfhutes, eines Goshuin-Buches für Ihre Stempel und einen Wanderstock. Sobald Sie durch das beeindruckende Tempeltor getreten sind, können Sie die Glocke läuten und sich auf den Weg zum Tempel selbst machen. Die Haupthalle des Tempels weist einen beeindruckenden Drachen an der Decke auf und wird von zahlreichen Laternen beleuchtet, welche die feierliche Atmosphäre betonen.

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Neben dem Besuch des Tempels sollten Sie sich auch die berühmten Naruto-Strudel ansehen, während Sie in Tokushima sind. Diese Strudel gehören zu den größten der Welt, verursacht durch die Gezeiten, die durch eine schmale Meerenge in das Seto-Binnenmeer fließen und wieder hinaus. Sie sind viermal am Tag zu sehen und rasen mit rund 15 Kilometern pro Stunde durch den Kanal, während sie versuchen, den Unterschied im Wasserpegel von etwa 1,5 Metern zwischen dem Binnenmeer und dem Pazifischen Ozean auszugleichen. Die besten Orte, um die Strudel zu sehen, sind entweder die Touristenboote, die direkt neben ihnen entlangfahren, oder von der Onaruto-Brücke aus.

Zentsuji-Tempel

Die nächste Station auf unserer Route ist Tempel Nummer 75, der Zentsuji-Tempel, bekannt als Geburtsort von Kukai, was ihn zu einem ganz besonderen Stopp auf der Pilgerroute macht. Dieser weitläufige Tempelkomplex ist mit 45.000 Quadratmetern der größte in Shikoku und erstreckt sich über zwei große Bereiche, wobei die Höhepunkte eine 43 Meter hohe fünfstöckige Pagode sind, deren Bau etwa 60 Jahre gedauert hat, und mehrere große Hallen, die es zu erkunden gilt.

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Die Miedo, der Geburtsort von Kukai.

Kukai, der Sohn eines örtlichen Aristokraten, gründete den Tempel im Jahr 807, indem er den Ahnentempel seiner Familie restaurierte und ihn in Zentsuji umbenannte, wobei er einfach eines der Kanji des Imina-Namens seines Vaters verwendete. Die Miedo wurde an der Stelle der ehemaligen Residenz der Familie Saeki errichtet und soll der Geburtsort von Kukai gewesen sein. Das spektakuläre innere Heiligtum zeigt Statuen des Priesters.

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Koji hat seine Ohenro-Pilgerreise begonnen.

Während wir durch den Tempelkomplex wanderten, kamen wir ins Gespräch mit einem jungen Mann, Koji, und seiner Mutter, die die Ohenro-Pilgerreise antreten wollten. Dies war das erste Mal, dass Koji an der Pilgerreise teilnahm, aber seine Mutter hatte sie in der Vergangenheit bereits dreimal abgeschlossen, das letzte Mal vor zehn Jahren. Sie stammen ursprünglich aus der Präfektur Nagano, leben jetzt aber in Tokio und nahmen sich ein paar Tage frei, um nach Shikoku zu reisen und die Tempel zu besuchen. Sie hatten mehrere Gründe, sich für die Pilgerreise zu entscheiden, wobei der Hauptgrund darin bestand, den Verstorbenen in der Familie zu gedenken und ihnen zu helfen, den Weg in den Himmel leichter zu finden. Sie hatten aber auch weitere andere Gründe, so wie der Wunsch nach Gesundheit von Familienmitgliedern, Hilfe bei persönlichen Problemen, die ihr tägliches Leben betreffen, Erfolg und Wohlstand für sich selbst und ihre Liebsten und einfach nur Glück im Allgemeinen. Durch die Gespräche mit ihnen konnte ich erst verstehen, dass, obwohl es eine ernste Angelegenheit mit asketischen Elementen und einem Fokus auf Selbstreflexion sein kann, Zeit mit geliebten Menschen zu verbringen und das Leben langsamer anzugehen, auch ein sehr entspannter und angenehmer Urlaub sein kann.

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Die fünfstöckige Pagode des Zentsuji-Tempels.

Ishite-Tempel

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Die letzte Station unserer Mini-Pilgerreise ist der Ishite-Tempel, der 51. Tempel auf der Pilgerroute. Hier gibt es viele wertvolle Kulturgüter, darunter das Niomon-Tor, ein nationaler Schatz, der Shoro (Glockenturm) und eine dreistöckige Pagode, die beide wichtige nationale Kulturgüter sind.

Der Ishite-Tempel ist auch als der Tempel berühmt, der mit Emonsaburo in Verbindung gebracht wird. Emonsaburo soll der erste Pilger gewesen sein und der Name „Ishiteji“ basiert auf einer Anekdote über ihn. In dieser Geschichte ging ein reisender Mönch, der durch die Gegend zog, auf einen wohlhabenden Aristokraten zu und bat ihn um einen Platz zum Schlafen und etwas zu essen. Der Aristokrat, Emonsaburo, weigerte sich jedoch, dem Mönch zu helfen und als Folge dieses geizigen Verhaltens wurden alle Söhne des Aristokraten krank und starben. Eines Tages erschien ein Mönch am Bett von Emonsaburo, der von Trauer überwältigt war. Dieser Mönch war Kukai. In tiefer Reue beschloss Emonsaburo, all seine Besitztümer zu verlassen und auf der Suche nach Kukai, nach Shikoku zu pilgern. Allerdings konnte er Kukai nicht finden, bis Emonsaburo auf seinem Sterbebett lag. Erst dann erschien ihm Kukai wieder. Emonsaburo entschuldigte sich für seine Fehler in der Vergangenheit und Kukai fragte ihn, ob er sich etwas wünschte. Emonsaburo sagte: „In meinem nächsten Leben möchte ich als Herr dieses Landes wiedergeboren werden.” Als Emonsaburo seinen letzten Atemzug tat, schrieb Kukai „Emonsaburo kehrt zurück“ auf einen kleinen Stein und legte ihn in Emonsaburos linke Hand. Und im folgenden Jahr wurde ein Junge im Haus eines Lords geboren, dessen linke Hand so fest geballt war, dass sie sich nicht öffnen ließ. Die Eltern waren so besorgt, dass sie den Jungen in den Tempel brachten, damit dieser betete. Während er betete öffnete sich seine linke Hand und ein Stein mit der Aufschrift „Emonsaburo ist zurück”, kam zum Vorschein. Daher wurde der Tempelname in „Ishite-Tempel” umgeändert

Zusammenfassung:
Obwohl die Idee, in Ihrem Urlaub in Japan eine asketische buddhistische Pilgerreise zu unternehmen, vielleicht nicht das erste ist, was Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie an Spaß denken, ist die Möglichkeit, Shikoku zu bereisen und Tempel mit einem Bezugsrahmen zu besuchen, ein überzeugendes Argument. Vom heiligen Bergtempel durch den Geburtsort der Spiritualität in Japan zu gehen und an der Quelle von Ohenro selbst zu enden, ist sowohl eine spirituelle Reise als auch eine gute Geschichte.

Photographs and text by Don Kennedy

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