Kunst & Kultur

Kojima Jeans Straße - Geschichte des feinsten Denim der Welt

Kojima Jeans Straße - Geschichte des feinsten Denim der Welt
  • ZIELORT
    Okayama
  • VERWANDTE SCHLAGWÖRTER
  • LETZTE AKTUALISIERUNG
    01. September 2020

Sie werden nie erraten, was ich beim Besuch der Jeans Straße in Kojima, Japan, entdeckt habe. Es ist ein Geheimnis, wirklich – über die Jeans Straße. Es stellt sich heraus, dass es nicht wirklich um Jeans geht. In der Tat geht es nicht einmal um Denim.

Worum geht es also?

Einfach gesagt. Es handelt sich um eine hippe, moderne Variante eines traditionellen japanischen Handwerks, das Jahrhunderte zurückreicht.

Lassen Sie es mich erklären.

Im 16. Jahrhundert wurde der Boden von Kojima, Okayama, dem Meer entzogen, erwies sich aber als zu salzig, um Reis anzubauen. Deshalb bauten die örtlichen Bauern Baumwolle an. Und mit den flauschigen weißen Blüten entstand die Textilindustrie Okyamas, die den Großteil der besten Baumwollwaren der Nation herstellte.

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Ein kleines, aber eindrucksvolles Jeans Museum in Japan-Blau.

Doch nach dem Aufstieg der synthetischen Fasern zu Beginn des 20. Jahrhunderts und Trends, die weg von traditioneller japanischer Kleidung führten, benötigte Okayama einen neuen Weg. Die Nachkriegszeit wurde durch das Bild Amerikanischer G.I.s, welche in ihren blauen Jeans entspannten, geprägt. Daraus sollte sich der neue Weg Okayamas bilden.

Die erste japanische Jeans, die von Big John in Kojima produziert wurde, war 1965 ein großer Verkaufsschlager. Bald traten weitere japanische Jeanshersteller auf die Bildfläche und die schwimmende Textilindustrie Okayamas tauchte mit frischem Wind in ihren neu gehissten, indigoblauen Segeln aus den Untiefen auf.

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Der Eingang zu Big John, Hersteller der ersten Jeans in Japan.

Als ich die Straße entlangging, konnte ich nicht umhin zu schmunzeln, wie geschickt doch das Thema Jeans inszeniert wurde. Auf Verkaufsautomaten bis hin zu öffentlichen Aschenbechern prangte das Denim Motiv und die Straße selbst wurde an mehreren Stellen mit einem Noren (ein traditioneller, kurzer Vorhang, der über Ladeneingänge hängt) aus Jeans überspannt.

Doch seltsamerweise gab es, zum Start der Jeans Straße im November 2009, nur drei Geschäfte: Momotaro Jeans, Dania Japan und Womb.

“Am Anfang war es wirklich nur eine lange Ladenstraße mit diesen drei Läden,”, lacht Toshiharu Suesa, leitender Angestellter der Handelskammer Kojima, „die Erfahrung war wahrscheinlich ein wenig enttäuschend für Besucher, die noch keine Denim Enthusiasten waren.”

Doch all das änderte sich, als immer mehr Unternehmen einzogen und die Jeans Straße mehr und mehr von ihrem glücklichen nach Denim besessenen Charakter erhielt. In nur acht Jahren stieg die Besucherzahl der Kojima Jeans Straße von 6.000 Besuchern im Jahr auf mehr als 150.000 – eine Zahl, die stetig wächst.

Als Reaktion auf den Zustrom ausländischer Touristen entwickelt die Handelskammer von Kojima jetzt eine englischsprachige Karte und einige Läden bieten sogar Englischkurse für ihre Mitarbeiter an. Darüber hinaus bietet ein Drittel der Geschäfte steuerfreien Einkauf an, weitere folgen.

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Dekorative Mini-Jeans aus echtem japanischen Denim bei Japan-Blau.

“Das Problem heutzutage ist nicht, dass es nicht genug Läden gibt, sondern dass es nicht genügend Ladenfläche gibt, aber nicht aus dem Grund, dem man normalerweise denkt.”, klagt Suesa.

Während der Showa-Periode (1926-1989) umfasste das Gebiet, das heute von der Jeans Straße, damals Ajino Straße genannt, eingenommen wurde, eine gut besuchte Einkaufspassage mit mehr als 200 Ladenflächen. Doch mit der Zeit, als Einkaufszentren und Kaufhäuser immer beliebter wurden und immer mehr Kleinstadtbewohner in größere Städte zogen, nahm das Geschäft ab. Es dauerte nicht lange und Ajino wurde zu einer verlassenen Gegend.

Zu diesem Zeitpunkt entschlossen die lokalen Jeanshersteller die Gegend zu übernehmen.

Suesa erklärt: “Da es sich jedoch um eine Einkaufsstraße im alten Stil handelt, haben viele Läden einen angebauten Wohnraum. Viele Leute leben immer noch hier hinter den geschlossenen Ladentheken. Sie könnten in die Hinterzimmer oder in das Obergeschoss umziehen. Viele wollen aber den Laden nicht vermieten, um nicht gestört zu werden.”

Heute hat die Jeans Straße eine Länge von über 400 Metern und über 38 Geschäfte, wobei jährlich etwa fünf weitere Geschäfte hinzukommen. Durch einen glücklichen Zufall lässt die sorgfältig erhaltene Architektur der Showa Ära entlang der Jeans Straße erahnen, wie Japan aussehen würde, wenn Jeans als erstes auf den Markt gekommen wären. Sogar die alte Bank und das Postgebäude aus der Showa Ära wurden in Läden umgewandelt. Währenddessen haben sich einige Besitzer bereit erklärt, ihre Rollläden mit Jeansmotiven zu bemalen, um die leeren Flächen festlicher zu gestalten.

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Eine Wandmalerei ziert eine ehemalige Ladenfront über indigoblauem Asphalt auf der Kojima Jeans Street.

Dennoch ist der Platzmangel nicht die einzige Hürde für Unternehmer, die in der Jeans Straße ein Geschäft aufmachen wollen. Nur Jeanshersteller, die erstklassige, in Japan hergestellte Denim mit Webkante anbieten, dürfen sich bewerben. Das bedeutet, dass jeder Store in der Jeans Straße eine Kombination aus hochwertigen Materialien, einzigartigen Verarbeitungstechniken und vor allem erstklassiger Handwerkskunst bietet.

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Ein Arbeiter bei Momotaro Jeans, der auf einem klassischen, handbetriebenen Webstuhl Denim webt.

Und für diejenigen, die nach maßgeschneiderten Jeans Klamotten suchen, bietet Momotaro Jeans Jeans auf Bestellung an, die direkt in ihrem Geschäft in der Jeans Straße bestellt werden können. Diese kundenspezifischen Denim Exemplare benötigen 30-45 Tage in der Fertigung, so dass die meisten Kunden damit rechnen können noch internationalen Versand, zusätzlich zur maßgefertigten Premiumware, zu zahlen. Da Momotaro Jeans immer mindestens einen englischsprachigen Mitarbeiter beschäftigt, sollte es möglich sein, ein individuelles Stück auch ohne japanische Sprachkenntnisse zu bestellen.

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Die Verkaufsfläche bei Momotaro Jeans.

Jedoch auch die nicht maßgefertigten Jeans, welche Sie auf der Jeans Straße finden können, werden Sie sofort davon überzeugen, dass Japans Ruf für die Herstellung des feinsten Denims der Welt wohlverdient ist.

“Der Unterschied zwischen japanischen Jeans und den Jeans, die anderswo hergestellt werden, liegt in der japanischen Denkweise”, erzählt Masato Tanaka, Direktor von Soulive, einer Jeansfirma in der Jeans Straße. “Wenn Sie 100 Jeans erster Güte von einem japanischen Hersteller bestellen, wird er 100 Jeans erster Güte produzieren. Wenn Sie 100 Jeans erster Güte von einem nicht-japanischen Hersteller bestellen, wird er 120 Stück machen, von denen 100 erster Güte sein werden. Es ist dieser Perfektionismus, der japanische Jeans von anderen Unterscheidet.”, so Tanaka.

Als ich über den verblichenen Indigo Asphalt am Eingang der Jeans Straße zurückging, empfand ich tiefe Bewunderung für die Leidenschaft und das Engagement der Denim Gemeinschaft, die diesen Ort geschaffen hatte, um ihr Handwerk zu betreiben und zu feiern. Als ich an offenen Schaufenstern vorbeiging, die wie Nieten auf Denim über die halbgeschlossene Allee schimmerten, erblickte ich in einem Schaufenster einen Mann, der seinem Partner zustimmend zunickte, als dieser gerade eine Jeans anprobierte.

Jeder Jeansenthusiast weiß, dass die beste Jeans Jahre brauchen kann, um vollständig zu sitzen. Mit der Zeit werden die Falten und Waschungen im Stoff zu einem gemeinsamen Werk zwischen dem Träger der Jeans und den Handwerkern, die sie hergestellt haben. Es ist daher nur selbstverständlich, dass eine Straße, die sich den Jeans widmet, denselben langwierigen Prozess durchzulaufen hat.

Fotos & Text von Peter Michel Chordas

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